… oder warum Gott vor dem Wirtshaus warten sollte
Nachbesprechung einer Wallfahrt im Jahr 1979. Wir waren beim „Kinderwurth“ – das durfte man damals noch sagen –und ließen die Sache Revue passieren. Ich glaube das war die Wallfahrt, bei der zum ersten Mal eine Schulklasse mit war und das gesungene „Vater unser“ mich wirklich sehr beeindruckt hatte.
Die Besprechung plätscherte so dahin und es zeichnete sich eigentlich ein baldiges Ende ab. Die wichtigsten Dinge für die Zukunft wie Wegstrecke, zu singende Lieder und Unterkünfte waren besprochen, ich schlug meinen Schreibblock zu und wollte eigentlich gehen. Da kam Hans Vojtek ganz am Schluss mit einem Punkt, der die Besprechung gerne um Stunden verlängern konnte …
Dazu muss man wissen, dass wir von Besprechungen des Alpenvereins-Vorstandes geprägt waren. Wer dort einmal miterlebt hat, wie über die Sinnhaftigkeit von Kletterhelmen drei Stunden diskutiert und über die Volkstanzschuhe viereinhalb Stunden gesprochen werden kann, wird meine Ungeduld als 18-jähriger vielleicht verstehen. Und dabei ging es nie um Geld, sondern meist um Hygieneeinwände und sonstige Blödheiten. Und die Personen bei der Alpenverein-Wallfahrt waren fast die gleichen! Zurück zum Kreuz. Hans meinte ganz beiläufig, dass von einigen Personen an ihn der Wunsch nach einem Kreuz, welches an der Spitze mitgetragen werden sollte, herangetragen wurde.
Dieser Punkt hatte Potenzial für eine Mehrtagesdiskussion. Dazu muss man auch wissen, dass die Wallfahrten damals zwar ihre Fixpunkte wie Rosenkranz und Messen hatten, jedoch der gesellige Teil mit viel Spaß, Kameradschaft, ab und zu Alkohol und natürlich herumblödeln für uns fast noch wichtiger war.
Die entsprechenden Statements ließen auch nicht lange auf sich warten. „Was mach ma mit’n Kreuz, wann ma zum Wiatn gengan? Lahn mas dann fua de Tia?“ „Oda wan ma an Schnaps trinken, muas des Kreuz dann um die Eckn gstellt weden?“
Da gibt es doch eine Bibelstelle, die besagt „Wo mehr als zwei in meinem Namen beisammen sind …“. Aber solche Feinheiten wollte ich in die Diskussion gar nicht einbringen. Wir waren bei dem Punkt angelangt, wie groß so ein Kreuz sein kann. „Aber des kann ma si do net über die Schulter legen, wia schaut denn des aus“ und „waunst das grad fua dir tragst, deafs ned gresser als 30 cm sei.“ Und so wurden auch die Tragevarianten abgehandelt.
Nach gefühlten drei Stunden hatte ich genug. Ich unterbrach die wunderbare Diskussion mit den Worten: „I moch ans und dann probier mas aus.“ Mein wunderbarer Kompromissvorschlag wurde
von einem ungläubigen „Du kannst so was?“ beantwortet. Das traf mich natürlich mitten ins Herz. Ich ging in die 5. Klasse der HTL für Holztechnik und hatte somit eine 3-jährige Tischlerausbildung hinter mir. Bei näherer Betrachtung war aber genau das das Problem. Ich und meine große Klappe! In der 5. hast du keinen Zugriff mehr auf die ganzen Tischlereimaschinen. Im Chemielabor gab es nur eine alte Kreissäge und eine Hobelmaschine. Aber nichtsdestotrotz die Lehrer um Holz angeschnorrt, und die Kreuz-Maße durch empirische Versuche ermittelt. Einige bis viele Stunden des Chemieunterrichtes fielen der Kreuzproduktion zum Opfer. Aber wahrscheinlich hatte ich bei der darauffolgenden Matura eine schützende Hand über mir!
Das ist die Geschichte, wie es zum Kreuz kam. Und ich glaube, selbst der anfängliche Kreuzgegner Hans Vojtek kann jetzt ganz gut damit leben.
Da das Kreuz nunmehr schon 35 Jahre hält, kann die damalige Schulausbildung auch nicht so schlecht gewesen sein.
Christian Wildenauer